„Fahr doch mal auf eine Kur!“

„Fahr doch mal auf eine Kur!“ …
… lag mir die Familie schon lange in den Ohren – und das aus gutem Grund. Mit der Zeit laden sich die eigenen Akkus nicht mehr richtig auf.  Selbst wenn man mal einen Nachmittag für sich gestaltet oder das Glück hat, sich einen Kurzurlaub organisieren zu können, verhindert das nicht, dass sich die Anstrengung des ständigen Beaufsichtigen- und Pflegen-Müssens, verbunden mit unregelmäßigem Schlaf viele Jahre hindurch, nachhaltig Kräfte zehrend auswirken. Das kennen sicher die meisten von uns.

Aber wohin kann man mit einem autistischen Kind fahren, das gewohnte Strukturen und Abläufe braucht, viel Zeit benötigt, um Vertrauen zu BetreuerInnen aufzubauen und die häusliche Wohnumgebung dringend als sicheren Rückzugsort benötigt? Der hohe Pflegeaufwand mit Pflegestufe 3 macht es nicht einfacher, eine Einrichtung zu finden, die dem gewachsen ist.
So ging ich lange als Bedenkenträgerin mit dem Gedanken schwanger, vielleicht mal zu fahren, oder lieber doch nicht, weil es alles nur noch chaotischer und aufreibender machen könnte. Der Gedanke an die lange Zeit der Sommerferien und zwei positive Berichte über die Kureinrichtung „Elstersteinpark“ in St. Ingbert / Saarland von Müttern, die mir inklusive ihrer Kinder bekannt sind, überzeugte mich dann endlich, den Schritt zu wagen. Die Beantragung über den Hausarzt war überhaupt kein Problem, die Kur wurde von der Krankenkasse innerhalb einer Woche genehmigt. Schön, endlich etwas, das problemlos bei der Kasse durch gewunken wird! Das war doch ein gutes Zeichen.

In den Sommerferien diesen Jahres reisten wir in St. Ingbert an – und es brach zunächst Chaos und das große Heulen aus. All die Veränderungen, die Abläufe, in die man sich einfügen musste, die Termine, die Unsicherheit, ob alles klappen würde, schienen anfangs wie ein unüberwindbarer Riesenberg vor uns zu stehen. Nicht nur mein autistischer Sohnemann hatte sehr mit der Umstellung zu kämpfen, sondern auch ich selbst. Aaaaaber – und deshalb schreibe ich hier gern über diesen Kuraufenthalt – das Team im Elstersteinpark war unglaublich kompetent und sorgte dafür, dass wir uns bald wohlfühlten. Die Mitarbeiter des Kinderpavillions gingen mit den Kindern sensibel und professionell um und boten ihnen eine vertrauensvolle Umgebung mit schönen Räumlichkeiten inklusive Spielplatz und Streichelzoo. Als besonders wohltuend empfand ich, dass niemals auch nur ein Ton des Jammerns, eine Äußerung von Anstrengung oder Unsicherheit uns Eltern gegenüber geäußert wurden.
Die Erfahrung im Umgang mit den besonderen Herausforderungen, die unsere Kinder mitbringen, war deutlich spürbar. Das trug entscheidend zum Vertrauensaufbau und respektvollen Miteinander bei und führte nach einigen Tagen dazu, dass ich in der Zeit, die mir zur Verfügung stand, loslassen konnte. So beschäftigte ich mich mit Nordic Walking, Joggen, Aqua-Fitness, bekam Krankengymnastik in der Gruppe und einzeln, führte therapeutische Gespräche, hörte Fachvorträge und genoss Massagen und Entspannungssequenzen. Darüber hinaus blieb noch viel Zeit für Schlafen, Musikhören, Lesen, Schreiben, Spaziergänge und einfach nur im Garten liegen. Auch die Kinder bekamen Anwendungen in der Physiotherapie und dem Bewegungsbad.

Als ein besonderes Highlight empfand ich die Möglichkeit, allein zu frühstücken und Mittag zu essen, denn die Kinder nahmen diese Mahlzeiten in ihrer Gruppe ein. Endlich mal nicht springen, füttern, aufwischen und Scherben kehren!
Ein entscheidender Wohlfühlfaktor war, dass der Elstersteinpark mit ca. 20 Appartements eine sehr kleine Kureinrichtung ist. Alles war sauber,  überschaubar und familiär.  Der Austausch mit den anderen Müttern und Vätern war bereichernd. Dabei war es von großem Vorteil, dass jede Mutter, bzw. jeder Vater mit einem behinderten Kind und gegebenenfalls Geschwisterkindern anreist und so alle im selben Boot sitzen. Der Blick auf die Lebenssituationen anderer relativierte Vieles im eigenen Leben – sowohl  in die eine als auch in die andere Richtung. So wog manches nicht mehr so schwer, anderes, an das ich mich mit den Jahren gewöhnt hatte, wurde als besondere Herausforderung wieder sichtbar und damit bewusst – auch mit Hilfe der hervorragenden Sozialtherapie vor Ort – thematisierbar.

Es war kein Problem, Besuch zu bekommen. So reiste mein Mann über die Wochenenden an, so dass der Kurerfolg an den Tagen ohne Kinderbetreuung nicht sofort wieder verpuffte.
Alles in allem: absolut empfehlenswert und ich bin froh, den Schritt endlich gemacht zu haben. Selten begegnete mir so viel Verständnis und Respekt unsere Lebenssituation betreffend. Das tat unglaublich gut und wirkt sich nachhaltig auf den Alltag aus. Wir werden bestimmt wieder dorthin fahren.
Wer jetzt neugierig geworden ist, schaut sich am besten auf der informativen Website der Kureinrichtung um: www.haus-elstersteinpark.de

Silke Bauerfeind

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